Hip, Hop, die Chamäleons sind top – Ein Tag mit Erzieherin Karen Delfs 

1. April 2020 

Seit Wochen sind die Schulen und Kindergärten in Shanghai geschlossen. Die Lehrkräfte der Grundschule und Sekundarstufe verlagern ihren Unterricht ins Internet, doch was machen die Erzieherinnen und Erzieher? Sie erstellen für ihre Gruppen Wochenpläne mit Vorschlägen zum Basteln, Singen, Malen und Experimentieren. In den Wochenplänen sind alle Bereiche der kindlichen Entwicklung abgedeckt. Karen Delfs, Erzieherin in der Chamäleongruppe, nimmt die Leserinnen und Leser mit in einen exemplarischen Tag, der so oder so ähnlich seit acht Wochen ihren Alltag bestimmt. 

Ein Ausschnitt aus dem Interview von Puppe Luzi mit Schulleiterin Susanne Heß

Du kommst eigentlich aus dem Norden Deutschlands, also Moin Karen! Was machst du heute hier mit Luzi, der Therapiepuppe? 

Moin, Luzi und ich drehen heute ein kurzes Video mit Frau Heß, der Schulleiterin der Deutschen Schule Shanghai Hongqiao. Luzi wird ihr ein paar Fragen zum Schulalltag stellen und das Video können sich die Kitakinder dann anschauen. Sie finden es – wie alle anderen Videos auch – im OneDrive-Ordner der Kita und direkt hier zum Abrufen.  

Karen Delfs (oben links) und ihre Kolleginnen nehmen den Kitasong auf

Video? Du bist doch Erzieherin und verbringst Zeit mit Kindern, anstatt vor der Kamera. Wieso hat das gewechselt? 

Um die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen wurden ja die Kitas und Schulen in ganz China geschlossen. Im Team der Kita haben wir dann überlegt, wie wir Kontakt zu unseren Gruppenkindern halten und sie mit netten, abwechslungsreichen Vorschlägen durch die Zeit der Kitaschließung bringen können. Da sind uns unter anderem eben auch Videos mit Beschäftigungsideen und unserem Kitasong (Link zum Video) eingefallen. Außerdem sende ich zweimal wöchentlich Grußbotschaften von mir und unserem Gruppentier, dem Chamäleon. Ab dieser Woche haben wir die Kinder in Kleingruppen eingeteilt und tauschen uns über Video aus.  

Chamäleonkind Paula kocht nach Anleitung das Apfelmus von Karen Delfs nach

Zu welchen Themen hast du denn bis jetzt schon Videos gedreht? 

Zu einigen, ich zähle mal ein paar Beispiele auf. Mein allererstes Video war eine kleine Anleitung zum Kochen von Apfelmus. Im November hatte ich ein Apfelprojekt durchgeführt und wir haben unter anderem leckeres Apfelmus zubereitet. Als Erinnerung an die gemeinsame Zeit und als schöne Aufgabe für zu Hause, habe ich es dann nochmal aufgenommen. Ansonsten gab es schon eine mit dem Kamishibai erzählte Geschichte, ein Experiment zum Fallen und Schweben, ein Erklärvideo zum richtigen Händewaschen, ein Video zum Ostereierfärben und jetzt das Interview mit Luzi und Frau Heß. Mit meinen Kolleginnen haben wir gemeinsam Lieder, Kasperletheater und Bewegungsspiele aufgenommen. Ich schaue bei den Videos auch immer, dass alles enthalten ist.  

Unverhoffte Unterstützung beim Ostereierfärben: Marco Michelbach, Karen und Bodo Delfs während der Dreharbeiten zum Ostervideo

Wie viel Zeit brauchst du, bis so ein Video fertig ist? Wie ist so dein Tagesablauf? 

Von der Idee bis zum fertigen Video brauche ich meist mehrere Tage. Im Schnelldurchlauf könnte das so aussehen: Nach dem Frühstück mache ich etwas Sport, denn die Arbeit von zu Hause kann manchmal ganz schön eintönig mit viel Sitzen sein. Dann schreibe ich mir ein kleines Drehbuch und eine Zutatenliste, was ich für das nächste Video brauche. Für mein Ostervideo (Link zum Video) hieß das: Eier und Essig kaufen, Färbemittel, Bindfaden und Gefäße zusammensuchen und dann in die Schule fahren, um in der Kitaküche das Video zu drehen. Beim ersten Mal ist es gleich schief gegangen – es gab keinen Strom in der Küche. Also habe ich einen zweiten Versuch gebraucht, da habe ich dann aber die Eier zu Hause vorgekocht und sie in der Schule nur noch gefärbt. Für das Video habe ich noch drei Hasenmasken gebastelt, denn zu meiner Freude konnte ich noch zwei Helfer aus dem Kollegium gewinnen. Das waren auch gute 1,5 Stunden, bis die Masken fertig und einsatzbereit waren. Am Nachmittag suche ich nach weiteren Bildern, Texten und Liedern, die mit in das Video reinkommen. Dann füge ich über ein Programm alles zusammen. Ich bin ja kein Profi im Video schneiden und editieren. Da brauche ich also ein bisschen länger für, wobei ich – im Vergleich zum Anfang – schon richtig schnell geworden bin. 

Hier entstehen die Ideen und Drehbücher: Karen Delfs an ihrem Schreibtisch zu Hause

Was hast du in den letzten Wochen gelernt, verändert und verbessert? 

Die Lernkurve in der Kita und für mich persönlich ist sehr steil. Ich arbeite seit fast 40 Jahren als Erzieherin mit Kindern und Jugendlichen zusammen. Besonders in Shanghai habe ich viel in Punkto Digitalisierung gelernt. Davon profitiere ich jetzt. Allerdings hat die Kitaschließung noch einmal dazu geführt, dass ich mir vieles zusätzlich aneignen musste. Wie erstellt man ein Erklärvideo, wie schneidet und komprimiert man das Ergebnis hinterher, wie geht man mit einem gemeinsam zu bearbeitendem Dokument um usw. Und ich musste mich auch erstmal trauen, mich vor die Kamera zu stellen. Am Anfang habe ich mich ganz oft verhaspelt, viel geblinzelt, Videos wieder und wieder drehen müssen, weil ich natürlich ganz am Ende einen Worthänger hatte, und ich habe viele unterschiedliche Programme ausprobiert. Jetzt schreibe ich mir ein kleines Drehbuch, was kommt wann, was möchte ich sagen, welche Materialien haben die Familien zu Hause, damit sie nicht extra zum Beispiel Färbemittel kaufen müssen. Und ich kann mittlerweile schon gut mit dem Programm arbeiten, mit dem ich meinen Bildschirm aufnehmen und Videos im Nachhinein vertonen kann. Da hat mir der Austausch mit den Kollegen sehr geholfen und es kamen tolle Tipps zu Apps und Programmen. Und generell gilt: Man muss super flexibel bleiben. Die Dinge ändern sich so schnell, die Anforderungen verändern sich, Erfahrungswerte kommen dazu, so dass wir die Sachen immer wieder neu überdenken und anpassen. 

Ein weiteres Blatt im Portfolio-Ordner: Die Chamäleongruppe begrüßt das Jahr der Maus

Wie kommen deine Videos zu den Kitakindern? Und wie hältst du Kontakt zu deiner Gruppe? 

Ich halte ganz engen Kontakt zu meinen Elternvertreterinnen. Sie leiten die Videos und Ideen auch an die anderen Eltern der Gruppe weiter. Zusätzlich habe ich mit den einzelnen Familien Mailkontakt und ich bekomme Fotos und kleine Briefe von den Kindern. Darüber freue ich mich immer sehr und schreibe natürlich zurück. Die Bilder und Briefe pinne ich in unserem Gruppenraum an die Wand, damit wir dann, wenn endlich wieder alle in die Kita dürfen, im Morgenkreis erzählen können, wo wir waren und was wir in den letzten Wochen erlebt haben. Zusätzlich zu den E-Mails an die Elternvertreterinnen können die Familien zu Hause auf einen Kitaordner bei OneDrive zugreifen, wo alle Videos und Ideen gebündelt sind. Da gibt es tolle Sachen zu entdecken, zum Beispiel Übungen für den Sprachausbau, Fingerspiele und auch das Video zum Ostereierfärben. 

Wenn du nach dem Videodreh noch Zeit hast, was steht sonst noch an? 

Da gibt es noch ein paar Aufgaben, die erledigt werden wollen. Ich arbeite zum Beispiel an den Portfolios weiter. Die Kinder nehmen die Ordner immer gerne zu Hand, blättern durch oder lassen sich Abschnitte darauf vorlesen. Neu dort eingeheftet habe ich zum Beispiel die Blätter zur Chinesischneujahrsfeier in der Kita, zum Ausflug zum Flaschenöffner oder Geburtstagsblätter für die Kinder, die in den letzten Wochen ein Jahr älter geworden sind. Und die Vorbereitungen für das nächste Kitajahr laufen schon: Wir haben die Bestellungen für Farben, Spiele, Bastelbedarf und Zubehör für den Kaufmannsladen fertig gemacht. Das hört sich einfach an, doch ich habe oft die gleichen Probleme wie die Eltern zu Hause – lange Ladezeiten von großen Katalogen oder Dateien fordern manchmal ganz schön viel Geduld. Nebenbei überarbeiten wir auch die Kita-Konzeption und unser internes Handbuch, bereiten die Entwicklungsgespräche vor, räumen den Gruppenraum auf und reichen die Beiträge für das Jahrbuch ein. 

Die Vorbereitungen für das nächste Video laufen auf Hochtouren

Das hört sich nach einem wochenfüllenden Programm an. Welche Videos stehen denn auf deiner Abdrehliste? 

Das nächste Video passt zur Frühlingszeit: Ich sammele Material, um ein Video zur Raupe Nimmersatt zu drehen. Und ich hoffe natürlich, dass ich bald wieder ohne Videos auskomme. Mir fehlt der tägliche Kontakt zu den Kindern, den Eltern und den Kollegen sehr. Deshalb freue ich mich wieder auf einen „normalen“ Tag in meiner Chamäleongruppe, um dann gemeinsam mit den Kindern im Morgenkreis zu sagen: „Hip – Hop – die Chamäleons sind top.“ 

Alle Bilder © Deutsche Schule Shanghai