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4 Studienjahre, 3 Länder und 2 Bachelor summa cum laude

12. Januar 2022

Der Werdegang von Jesler van Houdt ist beeindruckend und die gerade mal 22-jährige Masterstudentin, die ihre Bachelor mit summa cum laude abgeschlossen hat, hat noch viel vor. Schon als Schülerin an der DSS fiel sie durch ihr unglaubliches Engagement in Umweltfragen auf und hat diese Leidenschaft zum Mittelpunkt ihres Studiums gemacht. Mit Stationen in Deutschland, in den Niederlanden und in Spanien kommt sie ihrem Traum, als Richterin am Internationalen Strafgerichtshof, in der Welt etwas zu bewegen, immer näher. Wir haben mit ihr über ihre Studienerfahrungen, ihre Zukunft, aber auch über ihre Zeit an der DSS gesprochen. Und dabei ist eines ganz deutlich geworden: Sie wird etwas in der Welt bewegen, und ihr bisheriger Werdegang wird hoffentlich viele junge Menschen inspirieren, ihrem Beispiel zu folgen.

Was hast du nach dem Abitur gemacht?

Ich war insgesamt sechs Jahre an der DSS und habe 2017 mein Abitur absolviert. Unmittelbar im Anschluss habe ich den interdisziplinären Studiengang Liberal Arts and Sciences (doppelter Bachelor), der es ermöglicht, verschiedene Studienrichtungen zu kombinieren, an der Universität in Maastricht, in Freiburg und in Spanien auf Englisch angefangen. Das hat mich sehr angesprochen, weil ich davon überzeugt bin, dass Zusammenarbeit und Austausch immer zentral im Leben stehen sollten, um die besten Ergebnisse zu erlangen. In Maastricht lag mein Fokus auf Sozialwissenschaften (Jura und Entwicklungsstudien, B.A.), in Freiburg auf Umwelt- und Nachhaltigkeitswissenschaften (B.Sc.) und in Madrid auf Jura. Ich bin stolz, dass mir nach den ganzen Abenteuern – vier Studienjahre, drei Ländern, drei Sprachen – meine Bachelor summa cum laude ausgehändigt wurden. Seit September 2021 mache ich jetzt meinen Master in Public International Law mit Fokus auf Conflict and Security (Humanitäres- und Sicherheitsrecht) in Kombination mit dem Honours Programme an der Universität in Utrecht, Niederlande. Für das Honours Programme arbeite ich in einer Law Clinic mit Klientinnen und Klienten, für die ich mit einem kleinen Team juristische Fragen untersuche und beantworte. Meine Entscheidung für Utrecht basierte auf dem guten Ruf der Universität (das Studium ist das Nummer 1 Public International Law Studium in den Niederlanden) und auch darauf, dass meine Großeltern in der Nähe leben. Nach China und Studium, wollte ich wieder näher bei ihnen sein.

Wir kennen dich noch als Schülerin, die sehr engagiert in allen Umweltfragen war und deine Studienfächer hast du auch danach ausgerichtet. Warum ist dir das so wichtig?

Das stimmt! In Shanghai habe ich mein Interesse für Nachhaltigkeit und den Klimawandel entdeckt, nachdem ich regelmäßig Veranstaltungen von Green Initiatives beigewohnt habe. Im Rahmen meiner beiden Bachelor habe ich Umwelt- und Nachhaltigkeitswissenschaften studiert. Das Thema interessiert mich noch immer, vor allem aus der Perspektive des internationalen Rechts: Wie werden Klimaflüchtlinge global geschützt? Welche Konflikte wie zum Beispiel Kriege um Trinkwasser können durch Umweltkatastrophen ausgelöst werden? Und wie gehen wir mit diesen um? Ich habe mich für die Fächer entschieden, weil sie mich faszinieren und sehr zukunftsrelevant sind. Ich will in Zukunft Menschen helfen, ein besseres Leben zu führen und, so klischeehaft es klingen mag, die Welt ein bisschen besser machen. Um den Klimawandel führen schon jetzt keine Wege mehr herum. Die Welt ist um 1.1 Grad wärmer geworden und die Zahl wird weiter steigen, wenn wir nicht schnell, kollektiv und zielbewusst handeln. Das bringt Probleme mit sich. Klimawandel ist nicht nur ein abstraktes Problem wie CO2 in der Luft und in den Ozeanen oder Methan, welches freikommt. Ich habe die Physik und Chemie dahinter gelernt, aber das Problem ist viel größer. Es geht um Menschen. Um Kinder. Es geht, wortwörtlich, um Leben und Tod. Da kann ich nicht anders, als einen Beitrag leisten zu wollen, den Schaden zu lindern.

Ich will in Zukunft Menschen helfen, ein besseres Leben zu führen und, so klischeehaft es klingen mag, die Welt ein bisschen besser machen.

Jesler im Radiostudio UniFM in Freiburg.

Welche beruflichen Erfahrungen hast du bis jetzt gesammelt?

Ich habe für die NGO AIESEC dreieinhalb Jahre in verschiedenen Funktionen gearbeitet. Als Outgoing Global Volunteer Exchange Participant Manager und Team Leader unterstützte ich Studentinnen und Studenten dabei, im Ausland ehrenamtlich zu arbeiten. Ich leitete den Team Leader Blog Niederlande und als Case Solver habe ich alle juristischen Fragen um und bei AIESEC NL beantwortet. Von diesen Funktionen habe ich unglaublich viel gelernt, zum Beispiel wie man in einem Team arbeitet und es leitet, andere motiviert und wie man sowohl qualitativ als auch quantitativ erfolgsorientiert sein kann. Für die Uni-Zeitschrift Observant in Maastricht habe ich zwei Jahre lang geschrieben und beim Uni-Radio Freiburg wurde ich als Moderatorin ausgebildet. Beide Erfahrungen haben mir unglaublich viel Spaß gemacht und Energie gegeben. Oberflächlich haben sie vielleicht nichts mit meinem Studium zu tun, und doch habe ich unglaublich viel gelernt. Hierbei war es weniger, was ich gemacht habe, sondern wo und mit wem. In internationalen Teams zu arbeiten, ist unglaublich spannend. Und damit muss man nicht bis auf das Studium warten. In der Oberstufe habe ich für die NGO Stepping Stones Shanghai ehrenamtlich gearbeitet und Migrantenkindern Englisch beigebracht. Das sind Erfahrungen, an die ich mich mein Leben lang erinnern werde.

Was planst du für deine Zukunft?

Ich habe meine Zukunft noch nicht festgelegt. Mich fasziniert dafür einfach zu viel. Ein Traum wäre es, im Verteidigungsteam oder Anklageteam eines Prozesses vor dem Internationalen Strafgerichtshof meine Karriere anzufangen. Juristische Beraterin für die VN, NATO, EU oder vergleichbare Organisation stelle ich mir auch unglaublich spannend vor. Ich kann mir auch gut vorstellen, für das niederländische Auslandsministerium als Diplomatin zu arbeiten.

Was fällt dir als erstes ein, wenn du an die DSS zurückdenkst?

Ich habe mich einerseits immer wohl gefühlt und denke mit vollem Herzen an die Tanzprojekte, das Musical Oliver!, die Ostasienspiele, die verschiedenen AGs, Mitschülerinnen und Mitschüler und Lehrkräfte zurück. Andererseits war die DSS auch eine Art kleine „Bubble“. Das habe ich aber nie als negativ erfahren. Ich habe stets versucht, dies zu durchbrechen und habe viele Veranstaltungen von zum Beispiel Green Initiatives besucht oder Wochenendreisen unternommen. Im Studium wurde mir aber klar, wie groß die "Bubble" eigentlich war. Ich habe meine Zeit an der DSS aber sehr genossen. Und ohne die DSS wäre ich wohl nicht den Weg gegangen, den ich gegangen bin. Das pädagogische Lernen, die kleinen Klassen, die vielen Präsentationen und vergleichbare Projekte haben mich super auf mein Studium in Maastricht vorbereitet.

Ich habe meine Zeit an der DSS (...) sehr genossen. Und ohne die DSS wäre ich wohl nicht den Weg gegangen, den ich gegangen bin. Das pädagogische Lernen, die kleinen Klassen, die vielen Präsentationen und vergleichbare Projekte haben mich super auf mein Studium in Maastricht vorbereitet.

Hast du noch Kontakt zur DSS?

Letzten Sommer hatte meine Klasse ein Klassentreffen. Ich finde es super zu sehen, welche verschiedenen Wege jeder gegangen ist. Ich habe meine Klasse schon immer geschätzt. Wir waren alle unterschiedlich und sind doch gut und freundschaftlich miteinander umgegangen. Daran hat sich nichts geändert. Mit ein paar bin ich jetzt sogar besser befreundet als zur Schulzeit. Die Freundschaften mit meinen ehemaligen Mitschülerinnen und Mitschülern sind mir sehr wichtig, weil es nicht immer einfach ist, anderen das Leben als Expatkind in China zu erklären. Meinen Klassenfreunden muss ich nichts erklären, die haben es miterlebt.

 Jesler mit ihrer Familie bei der Online-Abschlussveranstaltung ihres Bachelors.
Jesler mit ihrer Familie bei der Online-Abschlussveranstaltung ihres Bachelors.

Was würdest du Schülerinnen und Schülern raten, die ein Studium in deiner Richtung anstreben möchten?

Ganz ehrlich? Ich studiere das spannendste, interessanteste und faszinierendste Studium der Welt. Ich habe das Studium Liberal Arts and Sciences gewählt und wollte eine Kombination aus Jura, Entwicklungsstudien und BWL studieren. Eine Unterrichtsstunde in Principles of Economics schreckte mich aber ab, eine Vorlesung in Intro to Law hingegen faszinierte mich. Mit Liberal Arts and Sciences ist es möglich, die eigene Leidenschaft zu finden und zu vertiefen. Es ist aber kein Spaßstudium, ganz im Gegenteil. Es bietet eine Vogelperspektive in das interdisziplinäre Denken. Dank des Studiums konnte ich Umweltwissenschaften mit Jura verbinden - wo sonst geht das schon? Rückblickend habe ich mir mein Studium nicht so vorgestellt. Ich hätte nie erwartet, so viele Menschen zu begegnen, die sich so für ein Thema interessieren und mich mit ihrer Faszination begeistern. Ich hätte nie erwartet, dass ich davon träumen würde Richterin am Internationalen Strafgerichtshof zu werden.

Den besten Weg, den ihr einschlagen könnt, ist euer eigener Weg. Euer Glück und eure Zufriedenheit müssen immer Priorität haben.

Wie schaffst du es, eine Work-Life-Balance zu haben?

Dieses Jahr ist ein besonderes, weil ich bei meiner Oma wohne und all meine Großeltern in der Nähe sind. Es hat für mich Priorität, sie zu unterstützen und Zeit mit ihnen zu verbringen. Außerdem gehe ich gerne Joggen, spiele regelmäßig Badminton und bin mit Freunden unterwegs. Ich bin Mitglied der Organisation BuddyGoDutch, die niederländische an internationale Studentinnen und Studenten bindet und Veranstaltungen organisiert. Eine Work-Life-Balance zu finden, ist alles eine Frage von time management. Wie das niederländische Sprichwort: Tijd is prioriteit (Zeit ist Priorität) sagt, ist es ausschlaggebend, wie man seine Zeit einrichtet und was man als Priorität ansieht. Bei mir steht meine mentale Gesundheit ganz oben. Denn mit Begeisterung und Humor macht alles Spaß.

Was du noch sagen wolltest...?

Den besten Weg, den ihr einschlagen könnt, ist euer eigener Weg. Euer Glück und eure Zufriedenheit müssen immer Priorität haben. Als ich damals als Schülerin über den Klimawandel gesprochen und Green Initiatives Veranstaltungen besucht habe, sagten Mitschülerinnen und Mitschüler zu mir: „Jesler, du regst dich zu viel über solche Sachen auf“. Als ich mein Praktikum bei Stepping Stones gemacht habe, wollte keiner mit mir über meine Erfahrungen sprechen. Als ich mein Studium anfing, wurde ich gefragt: „Was kann man den damit machen?“ Und doch habe ich die letzten 4+ Jahre genossen. Und sie haben mir Türen geöffnet, von denen ich nicht wusste, dass es sie gab. Das gönne ich den Schülerinnen und Schülern der DSS von ganzem Herzen.

Jesler mit ihrer Abiturklasse 2017.
Jesler mit ihrer Abiturklasse 2017.

Alle Bilder © Deutsche Schule Shanghai / Jesler van Houdt